Ein Ich braucht kein Geschlecht

„Jedes Mal, wenn ich rausgehe, muss ich mir überlegen: Ziehe ich jetzt wirklich den Rock an, auch wenn ich es gerne möchte. Manchmal entscheide ich mich dagegen und meistens dafür – je nachdem, wo ich hingehe, wann meine letzte schlechte Erfahrung war und wie ich mich fühle.“ Der Rock ist in unserer Gesellschaft eben nicht nur ein Rock. Den politischen Kampf, ihn tragen zu dürfen, kann man nicht jeden Tag führen.
Junger Mensch mit kurzen Haaren, Kreolen und Ketten, geschminktem Gesicht im Park blickt in die Kamera

„Mein Name ist Melvin Brose. Ich bin 23 Jahre alt, wohne in Berlin und studiere in Potsdam soziale Arbeit mit dem Fokus auf Sprache und Theater.“ So stellt sich Melvin Brose bei dem Treffen vor. Und Melvin Brose schreibt. Das Schreiben ist zu einem wichtigen politischen Akt geworden.

„Ich schreibe über Freude, Offenheit, schlaflose Partynächte, Toleranz und das Glück, das ich empfinde, der Mensch sein zu dürfen, der ich sein möchte. Ich schreibe aber auch über Trauer, Intoleranz, Gewalt und Selbsthass.“ Warum Melvin Brose Intoleranz und Gewalt erfährt? „Ich identifiziere mich als nicht binär. Das heißt, dass ich mich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordne.“

In der Ich-Form fließen die Worte. Grammatikalisch braucht ein „Ich“ kein Geschlecht. In einem Text über Melvin Brose in der dritten Person stellt sich die Frage nach dem richtigen Pronomen. Sie und er sind es nicht. „Ich identifiziere mich mehr als Person denn als Geschlecht.“ Melvin Brose ist deswegen auch in diesem Text Melvin Brose, ohne sie und ohne er.